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Der Offline Blog

Juli

Die Mitlesenden

Wenn ich Büro-Suiten wie Microsoft Office nutze, fällt mir in letzter Zeit auf, dass diese immer stärker auf Cloudlösungen als Standardspeicher orientieren. Dabei wird der Cloudspeicher des jeweiligen Herstellers, bei Microsoft also z. B. OneDrive, so prominent in den Anwendungen positioniert, dass ich als Anwender genau aufpassen muss, wenn  ich die Dokumente "nur" lokal auf dem Gerät speichern will.  Aber auch wenn mir das gelingt, ist Mitlesen durch die jeweiligen Anbieter noch lange nicht ausgeschlossen. Ungefragt werden auf meinen Geräten endlose MRU-Listen  der zuletzt benutzten Dokumente angelegt, wobei schon die Dateinamen viel über mich verraten. Das Anlegen dieser Listen, sofern man sie überhaupt überschaut, lässt sich meist nicht oder nur schwer vermeiden. Sie sind wie selbstverständlich Teil der durch Anbieter einsehbaren "Telemetriedaten".

Ein weiterer Trend ist die Verlagerung  von Features in die Cloud. So kann es inzwischen passieren, dass selbst einfachste Funktionen, wie das bildschirmfreundliche Umbrechen von Texten in pdf-Dateien oder eine Orthographieprüfung voraussetzen, dass der betreffende Text in die Cloud muss. Nutze ich diese Funktionen, entsteht schnell die Situation, dass lokal gespeicherte und vertraulich geglaubte  Informationen mitgelesen werden, und sei es nur deshalb, weil ich eine irgendwann mal aktivierte Komfortfunktion nicht wieder abgeschaltet habe.

Betrachtet man diese Entwicklungen, so besteht die Gefahr, dass über kurz oder lang praktisch jeder Text, den wir elektronisch erfassen, lesen oder auch nur weiterleiten, mitgelesen wird. Und das auch dann, wenn wir ihn nicht extra in der Cloud speichern.

Mich beängstigt diese Vorstellung, auch wenn ich im Moment nicht wüsste, welcher meiner in letzter Zeit bearbeiteten Texte so geheim gewesen wäre, dass ihn niemand lesen dürfte. Mich beängstigt das deshalb, weil der entstehende riesige Datenschatz aus Sicht der Datenhändler einfach zu wertvoll ist, als dass er ungenutzt auf Cloudservern oder in Telemetrie-Datensenken verstauben könnte. Zu wissen, was Menschen lesen oder schreiben, bedeutet, diese Menschen sehr gut zu kennen. Zielgerichtete Werbung, Kontrolle der Funktion der Apps und Schutz vor illegalen Aktivitäten mögen legitime Zwecke sein, diesen Datenschatz anzuzapfen. Doch letztlich sind sie auch die Türöffner für Kontrollmechanismen, von denen wir noch nicht wissen, in wessen Händen sie einmal welchen Schaden anrichten werden.

Januar

Zeige mir, wie du spielst und ich sage dir, wer du bist.

Moderne Spiele werden oft online gespielt. Man spielt im Netz gegen- und miteinander, Spielelizenzen und Downloads werden mit einem Nutzerkonto verbunden, Erfolge werden per sozialem Netzwerk mit anderen geteilt und den konsequentesten Spielgenuss hat man wohl in naher Zukunft mit "Game Streaming". Aber auch wer "nur" lokal auf dem Handy spielt, ist selten wirklich "offline".

Wir SpielerInnen ahnen im Prinzip, dass wir beim Zocken viel von uns preisgeben. Und es gibt ja eigentlich auch keine Alternative dazu. So füttern wir Google, Microsoft, Steam & Co. mit umfangreichen Informationen über unsere Spielvorlieben, -zeiten und natürlich -fähigkeiten.

Bei letzteren lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen. Denn unser Verhalten im Spiel widerspiegelt unser Verhalten im realen Leben. Unsere körperliche, geistige und auch soziale Leistungsfähigkeit lässt sich wunderbar beim Spielen "vermessen".  Je mehr verschiedene Spiele wir spielen, desto besser.  Es liegt auf der Hand, dass  Plattformbetreiber wie Sony, Steam, Microsoft und andere hier einen ungeheuren Datenschatz verwalten, dessen Ergiebigkeit nur noch durch die Leistungsfähigkeit ihrer KI-Rechenzentren begrenzt wird. Und natürlich, DSGVO sei dank, auch durch rechtliche Hürden der erweiterten Nutzung und Weitergabe der von den SpielerInnen gewonnenen Telemetriedaten.

So wird es also auch morgen noch passieren, dass wir beim nächsten Einstellungsgespräch einen Testfragebogen ausfüllen, auch wenn dessen Auswertung nur einen Bruchteil der Erkenntnisse bringt, die man aus unserem Spieleverhalten gewinnen  kann. Für übermorgen mag ich indes nicht garantieren, denn ich bin mir sicher, dass weder Sie noch ich dann überblicken, wem wir im Zusammenhang mit welchen Spielerlebnissen welche Datennutzungen genehmigt haben. Informationelle Selbtbestimmtheit sieht anders aus!

Was können wir tun?
Den alten Commodore 64 aus dem Keller holen?
Das Internet ausschalten, bevor wir die Konsole anwerfen?
Nicht mehr am Computer spielen?

So sehr ich ein gutes (Offline-)Schachspiel schätze, halte ich doch keine der Varianten für realistisch. Hier hilft weder Resignation noch schwarz-weiß Malerei. Stattdessen sollten der Datennutzung qualifiziert und kontrollierbar Riegel vorgeschoben werden. Im Sinne von Offline-Value heißt das eben nicht, dass ich detailliert vorgebe, wer was mit meinen Verhaltensdaten machen darf. Vielmehr muss deren Entstehung  verhindert werden.

Was wäre mit einer (geprüften und einklagbaren Erklärung) zum Computerspiel:
"Wenn Sie dieses Spiel kaufen, erfahren wir nur, dass sie bezahlt haben, aber nicht wer Sie sind. "
"Wenn Sie dieses Spiel herunterladen und installieren, erfahren wir nur, dass es legal auf Basis eines Kaufvertrages genutzt wird und das sie alt genug dafür sind."
"Wenn Sie dieses Spiel (legal) spielen, erfahren wir nichts."

Man mag es nicht glauben, aber noch vor 20 Jahren lief das genau so.